Kirgistan: Raue Landschaften und Sitten, zahlreiche, teils unberührte Granitwände; keine Permits und politisch recht ausgewogene Stimmung. Für Bergsteigerohren klingt es nach einem regelrechten Schlaraffenland. Im Juli 2019 machen wir uns auf den Weg um dies selbst in Erfahrung zu bringen.

Mit von der Partie sind Christian, Sonne, Martin, Wolfi, Gebi- allesamt Mitglieder der „alpinen Bande Tirol- und ich.

Gleich nach Ankunft in Osh geht es in einer mehrstündigen Autofahrt in Richtung unseres Ziels, dem Ak- Suu Tal. Zwischendurch halten wir in einem dubiosen Viertel und werden derb aufgefordert unsere Expeditionskosten zu bezahlen… Am Beginn der ersten Trekkingetappe wird uns verdeutlicht, dass besagtes Tal aufgrund einer desolaten Brücke nur erschwert erreichbar sei. Somit entscheiden wir uns, unser Vorhaben im benachbarten Kara- Suu Tal zu versuchen.

Jack, eines der Tragtiere

Knappe 60km und ca.5500hm bringen wir in den kommenden zwei Tagen hinter uns. Die vier dadurch überwundenen Pässe stellen für die Tragtiere eine sehr große Hürde dar. Unwegsames Gelände, schwer beladen, hektische Treiber…

Arrived in BC

Zwar waren wir bestens informiert über bestehende und etwaige neue Touren an den Granitriesen, nur eben im falschen Tal. Also machten Gebi und ich uns auf, die Gegend etwas zu erkunden und bei Gelegenheit ein wenig zu klettern. Dies gestaltet sich schwieriger als gedacht. Am Abend schmeissen wir den mit Kletterequipment gefüllten Rucksack auf den Boden vor unseren Zelten, ohne etwas ausgepackt zu haben.

Nach einem wenig aufschlussreichen Gespräch mit einem Russenteam, das unweit von uns sein Lager aufgestellt hat und einem kulinarisch wenig spektakulären Abendessen legen wir uns schlafen.

Am zweiten Tag war etwas Regen gemeldet. Trotzdem starten wir in Richtung einer vermeintlich neuen Linie an der „Yellow Wall“. Am Einstieg angekommen scheint das  Verscheindungssystem weniger sinnvoll für eine Neutour. Die Risse sind gefüllt mit Erde und Gras und zudem entdecken wir Bohrhaken. Etwas entmutigt steigen wir weiter auf zu einem unscheinbaren Felsriegel. Es beginnt zu regnen. Nun ist bereits zwei Uhr nachmittags. Wir sitzen unter einem Stein um etwas Schutz vor dem Wetter zu finden. Die Zeichen stehen gut für einen ähnlichen Tagesausklang wie am Tag zuvor. Es hört auf zu regnen. An besagtem Felsriegel fällt uns dann eine Linie auf, welche wir kurzerhand einsteigen. Gebi startet mit der ersten Seillänge und damit seine Erstbegehungskarriere- von unten ;). Zügig kommen wir voran.

Schon bald hängt Gebi in einem Pecker und setzt einen Bohrhaken- wir müssen den logischen Strukturen weichen, da diese eine eher bescheidene Felsqualität aufweisen. Nach wenigen Plattenmetern bessert sich das ganze wieder und etwa drei Stunden später stehen wir am Grat. Wir lassen sämtlichen Ballast zurück und eilen Richtung Gipfel- seilfrei und ohne Ausrüstung. Das Gelände wird immer steiler und abweisender, als ich mich schließlich zu Gebi zurückdrehe.“Den nächsten Schritt komme ich ohne Seil nicht wieder runter!“ Wir beschließen abzubrechen. Als wir wenig später am Materialdepot ankommen, lässt uns der Wehmut doch nochmal zum Gipfel aufsteigen.

„Turnen“ am Grat

Diesmal mit etwas Ausrüstung und mehr Erfolg.

Summit!
Wandbild GreenWall
Topo „Eaßtbegeung“

In tiefster Nacht erst überqueren wir die Tirolese wenige Meter von unserem Lager entfernt.

Am folgenden, als Rasttag deklarierten Tag müssen wir gezwungenermaßen aufbrechen, um einen Akku der uns am Vortag abhanden gekommen ist zu suchen. Leider Erfolglos. Dies scheint für unsere weiteren Ziele wenig förderlich…

Ali, unser Koch hat einen etwas entspannteren Rasttag

Dank perfekten Wetteraussichten geht es tags darauf zur Silver Wall. Besser gesagt eine Wand etwas weiter nordöstlich. Laut Russenberichten sollte dieser Bereich noch keine Begehungen gesehen haben.

Die Wandhöhe dürfte irgendwo bei 900hm einchecken. Gleich zu Beginn wird es abenteuerlich. Wir müssen durch eine Verschneidung klettern in der ein Wasserfall verläuft. Der etwas unglücklich verlaufene Rasttag und unser Plan zu biwakieren liess beim Aufbruch keine Eile aufkommen. Es ist bereits Nachmittag und die stark schwitzenden Schneefelder im Einzugsgebiet machen das ganze nicht gerade günstig.

Wenige Seillängen vor dem Biwakplatz

Die ersten 400m sind bis auf wenige Stellen einfach und schnell zu bewältigen. Schon bald erreichen wir unseren vorgesehenen Biwakplatz. Ein abdrängen Grasfleck am Fuße des Hauptpfeilers, ausgestattet mit einem Schneefeld als Wasserquelle. Wir graben uns eine komfortable Liegefläche und kochen noch eine Mahlzeit. Die Nacht ist lang und kalt. Aus Gewichtsgründen haben wir nur einen Schlafsack dabei, was die Situation nicht gerade begünstigt. 

Gute Nacht

Total ausgefroren und verspannt klettern wir am nächsten Tag los. Unser Ziel, die Route ausschließlich mit mobilen Sicherungsmitteln abzusichern und frei zu klettern, scheitert beinahe in den ersten Metern vom Biwakplatz weg. Eine spärlich absicherbare Platte und schmerzende Gliedmaßen sind eine schlechte Kombination für ein solches Ziel. Irgendwie meistern wir diese kritische Stelle und erreichen das markante Risssystem der Hauptwand. Durch jeden Klettermeter kommen wir mehr in Fahrt, und schon bald ist es einfach purer Genuss. Fantastische Kletterei an perfektem Granit, der ausrechend Strukturen für Sicherungen und Standplätze bietet.

Die Schwierigkeiten sind fordernd und homogen, aber nie richtig schwer. Die spartanische Biwakausrüstung macht sich jetzt bezahlt. Zügig kommen wir voran und nach 6 1/2 Stunden stehen wir am Ausstieg. Durch einfache Gratkletterei erreichen wir den Gipfel der „Silver Wall“ 4009m.

Der Abstieg an der Nordwestseite führt über Schrofengelände und Schneefelder hinab zum Steig. Als wir an der Green Wall vorbeikommen, treffen wir Sonne und Christian. Sie haben sich gerade die erste WH der „Eaßtbegehung“ geholt und kommentieren mit „super Tour“. Auf ihre Empfehlung hin wird die „Eaßtbegehung“ in den nächsten Tagen noch öfter geklettert…

Die Strapazen der vergangenen Tage und vor allem der Biwaknacht, lässt uns den darauffolgenden Vormittag hauptsächlich in der horizontalen verbringen. Nur wenn Ali, unser Koch uns zum Essen bittet, setzen wir uns für ein paar Minuten hin. Vorerst scheinen wir beide glücklich mit der Ausbeute zu sein, doch je weiter der Tag verstreicht, desto mehr kommt uns der Gedanke, doch noch etwas in Angriff zu nehmen… Als wir den Wetterbericht studieren wird klar, die folgenden drei Tage müssen genutzt werden.

Schon am frühen Nachmittag kramen wir erneut unsere gesamte Kletter- und Biwakausrüstung hervor und diskutieren eifrig unsere Herangehensweise an dieses doch weitaus größtes Unternehmen. 

 

Feilschen um jedes Gramm

 

Bis spät am Abend diskutieren wir die Linienführung und Taktik

Grundsätzlich gibt es zwei Möglichkeiten solche „Bigwalls“ anzugehen. Da wäre einerseits die „Bigwall“ Technik, welche mit großem Materialtechnischem und folglich zeitlichen Aufwand einher geht. Portaledge, Fixseile, und schwere Haulbags mit Lebensmittel und vor allem Wasser für dutzende Tage werden die Wand raufgeschleppt. Zweitens wäre der sogenannte „Alpinstil“. Vereinfacht ausgedrückt bedeutet das leicht und schnell. Großer Nachteil, man ist ohne Backup unterwegs. Unerwartete Komplikationen, wie ein Wettersturz oder vereister Fels, erhöhen das Risiko am Berg immens. Umso mehr in einem Gebiet wie diesem, wo Mobilfunkempfang und Bergrettung Fremdwörter sind.

Da wir nicht mal annähernd über die Materialtechnischen Voraussetzungen für einen Versuch im Bigwall Stil verfügen, und das verbleibende Zeitpensum von gerade mal drei Tagen auch nicht gerade ideal wäre, wir „leicht und schnell“ unser Credo. Stundenlang feilen wir an der Lösung, welche Ausrüstung benötigt und auf welches „Gramm“ verzichtet werden kann.

 

 

 

 

Mit dem ersten Tageslicht steigen wir zum Wandfuß auf. Dank dem früh morgendliche Tau ist bei dem ein und anderen Schritt  in dem steilen unwegsamen Fels – Gras Gelände Vorsicht geboten.

Am Einstieg sind wir merklich eingeschüchtert von den Dimensionen dieser immens großen Granitflucht über uns. In diesem Gemütszustand erscheinen uns die Zustiegsschuhe als überschüssiger Ballast. „Den Abstieg über den Grat schaffen wir bestimmt auch in unseren Kletterpatschen“ sind wir uns sicher.

Diese Taktik geht am ersten Tag voll auf. Der kleine Nachsteiger Rucksack, welcher spartanische Biwakausrüstung und etwas Wasser enthält, lässt uns mächtig vorankommen. Schon gegen frühen Nachmittag haben wir die ersten 1000 Klettermeter hinter uns. Viel delikate Kletterei in moderaten Rissen und sporadisch anspruchsvolle Plattenstellen führt uns unter die Headwall. Bis hier konnten wir Die anhaltende Anstrengung lässt unsere durstigen Kehlen bald unsere Wasserreserven aufbrauchen. Glücklicherweise finden wir Rechtzeitig vor der steilen Headwall einen kleinen Wasserfall linkerhand eines kleinen Bandes. Wir stärken uns und füllen unsere Flaschen auf. Die Kletterei in der Headwall ist grandios. Ein System aus Rissen und Verschneidungen aller Größen schlängelt sich durch die steile Wandflucht aus bestem Granit. Die Senkrechten, teils etwas überhängenden Wandabschitte erhöhen die klettertechnischen Anforderungen.  

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