10. Oktober 2015
Egon, Bruno und ich fliegen vom Flughafen München nach Kathmandu. Wir planen eine Expedition im Khumbu Gebiet mit dem Ziel, zwei Sechstausender zu besteigen. Im Frühjahr dieses Jahres kam es rund um dieses Gebiet zu verheerenden Erdbeben. Aufgrund dessen hoffen wir, die einigermaßen aufrechte Infrastruktur, die uns von nepalesischer Seite zugesichert wird, anzutreffen.
Nach einem Tag – verbunden mit einem heftigen Kulturschock in Kathmandu – fliegen wir weiter nach Lukla. Bislang hatten wir lediglich die verhältnismäßig „reichen“ Gebiete Nepals gesehen. Wir überfliegen gerade die touristisch kaum oder gar nicht frequentierten Gebiete. Wie kommen die Menschen in diesen Siedlungen mit dieser Naturkatastrophe wohl zurecht?
Die Landung ist wie erwartet abenteuerlich.
Von hier an gehen wir zu Fuss.
Nach zwei Tagen gemütlichen Marschs erreichen wir Namche. Die Wege bis hier sind sehr stark frequentiert. Träger- und Touristenkolonnen teilen sich die schmalen Wege.
Bei Namche gehen wir in nordwestlicher Richtung weiter. Über Thame nach Gokyo über den Renjo La- Pass ist deutlich sanfterer Tourismus. Was jedoch – vergleichsweise zu den Hauptstraßen, die zum Everest Basecamp führen – auch die Narben des Erdbebens mehr zum Vorschein bringt.
Beim Anstieg auf den Renjo La merke ich deutlich, dass meine Gesundheit nicht im Idealzustand ist. Bereits in der ersten Nacht in Kathmandu musste ich mehrmals erbrechen. Anfangs war ich überzeugt, nach ein paar Tagen wieder fit zu sein. Mittlerweile muss mir jedoch eingestehen, dass sich mein Gesundheitszustand mit zunehmender Höhe alles andere als verbessert. Ich beginne eine Antibiotica-Kur… In Gokyo lege ich einen Rasttag ein, während Egon und Bruno den Hausberg (Gokyo Ri) besteigen.
Der Cho Oyu – imposant erscheint er vor uns, als wir den von ihm herabfließenden Ngojumba-Gletscher überqueren. Am Nachmittag errichten wir das Base Camp für unseren ersten Sechstausender.
An einem weiteren Rasttag erkunden Egon und Bruno den Zustieg zum Gletscher. Ich beschließe, die beiden am darauffolgenden Tag ein Stück weit zu begleiten. Mir ist bewusst – sollte ich die 6000m Marke nicht überschreiten – wird meine Akklimatisation für unser weiteres Ziel wohl nicht auseichen.
Noch im Dunkeln gehen wir los. Ich hinke meinen beiden Kameraden etwas hinterher. Wir seilen an, um den ersten Gletscherabschnitt bis hin zur Scharte vor den eigentlichen Schwierigkeiten zu begeghen. Egon und Bruno wählen ein sehr rücksichtsvolles Tempo – dennoch bin ich extrem gefordert. Auf der Scharte angekommen trinke ich etwas Tee und breche mir ein Stück Schokolade herunter. Ich beschließe, die beiden noch etwas zu begleiten.
Gegen Mittag erreichen wir gemeinsam den Gipfel des Nirekha Peak 6169m. Im Aufstieg hatten wir ein paar Firnanker aufgesammelt, welche uns jetzt im Abstieg sehr hilfreich sind.
Unser Base Camp wird wieder abgebaut und wir gehen über den Cho La Pass und zwei weiteren Tagesetappen zum Base Camp der Ama Dablam.
Nach einem Pausetag im Basislager wird das Wetter wieder freundlicher. So packen wir sämtliche Ausrüstung inklusive einem Dreimannzelt in unsere Rucksäcke und steigen ins Lager I auf.
Der Plan wäre, um halb zwei in der Nacht für die restlichen 1100 hm Richtung Gipfel los zu starten. Um ein Uhr klingelt mein Wecker. Ich hatte eine sehr unruhige Nacht und treffe gezwungenermaßen die Entscheidung, liegenzubleiben. Als ich um halb acht aus meinem Schlafsack krieche, sind Egon und Bruno noch da. Wir entscheiden uns weiterzugehen…
Im einfachen Felsgelände hinauf zum Lager II klettern wir größtenteils in der Sonne. Dort angekommen, treffen wir auf zwei Hochträger, die gerade das Lager eigerichtet haben und sich wieder auf den Abstieg vorbereiten. Ansonsten ist niemand am Berg. Etwas oberhalb von Lager II beginnen die Eis und Schneepassagen….
Egon und Bruno warten im Lager III auf mich. Wir trinken etwas Tee und die beiden gehen weiter Richtung Gipfel. Lediglich 400 hm fehlen noch zum Gipfel. Mein körperlicher Zustand und mehrfaches Erbrechen lassen mich zögern. Ich gehe ein Stück weiter…
Es dauert noch bis zum Sonnenuntergang, bis ich schließlich den Gipfel erreiche.
Blass schimmert der Vollmond und tränkt die Bergwelt um uns in ein magisches Licht. Die Stirnlampen benötigen wir kaum.
Nach wenigen Stunden erreichen wir unser Zelt im Lager I. Am nächsten Morgen packen wir unser gesamtes Material in unsere Rucksäcke und steigen ins BC ab. Langsam ziehen Wolken auf, die gegen Nachmittag immer dichter werden. Im unteren Drittel kommt uns eilig unser Sirdar und der Koch entgegen. Sie haben uns von unten aus beobachtet und sind ganz übermütig vor Freude. Gemeinsam mit ihnen steigen wir das letzte Stück ins BC ab…
Im Himalaya ist vieles anders – größer, weiter, intensiver, wilder, bunter. Mächtige Gebirgszüge, faszinierende Gipfel, dramatische Geschichten. So kontrastreich sich dieses Land mit seiner Kultur und den vielen Menschen präsentiert, so vielfältig und gemischt sind auch meine Erinnerungen an unsere Reise. Doch im Gegensatz zu den hohen Gipfeln und tiefen Tälern im Himalaya, lagen meine persönlichen Höhen und Tiefen sehr nahe beieinander. Was die intensiven Momente schlussendlich aber zweifellos unvergesslich macht, ist nicht die Erinnerung an die scheiß Frühlingsrollen am ersten Tag in Kathmandu. Oder das große Loch am Konto hinterher. Oder die Einsicht, dass mein Körper möglicherweise nicht immer alle Auswüchse meines alpinen Ehrgeizes mitmachen kann. Was die Reise unvergesslich macht, sind die Leute, die dabei waren. Die Mischung aus Persönlichkeiten, Erfahrungen, Erwartungen und Emotionen, fast so abenteuerlich wie die Reise selbst.
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